Dieses Wiki ist nicht die DAoCpedia (daocpedia.eu), sondern ein Backup der DAoCpedia-Inhalte vom 31. März 2016 (mehr erfahren).

GOA-Texte:Der Feigling

Aus Backup der DAoCpedia (2016-03-31)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Dies ist ein offizieller Text, der von GOA veröffentlicht wurde.
Eine Übersicht über alle von der GOA-Homepage gibt es im Artikel über GOA Texte.
Die jeweilige Originalversion findet sich auf der europäischen Communityseite von GOA.



Brieg unterschied nicht mehr zwischen den Schlägen der Ramme und denen seines Herzens. Der dumpfe Lärm des Gehämmers, das jammernde Ächzen der nun in den Scharnieren baumelnden Tür und die heiseren Stimmen der Invasoren drangen in seinen Kopf und verwirrten seine Sinne... Er sah mit stockendem Atem die von ihren Kameraden getrennten Leichen vor seinen Augen tanzen, die mit Tränen des Schmerzes, der Angst und der Trauer gefüllt waren.

Zwischen Hunden und Wölfen und vom Halbdunkel profitierend hatte der Feind sich geschickt an den Spähern vorbei geschlichen und der plötzliche Angriff, zu welchem noch die ungemeine Überzahl der Angreifer kam, hatte den hibernischen Verteidigern keine Chance gelassen, deren erste Reihen wie eine Strohsperre vor der Wildheit eines entfesselten Stromes zusammenbrach.

Benommen hatte Brieg zunächst einmal seine Klinge gezückt, wie ein Automat, ohne eine genaue Vorstellung des Feindes, dem er entgegen treten musste. Seine Benommenheit dauerte nur kurz, denn er wurde rasch vom Sturm der Schreie, Körper und Blut mitgerissen, vom Krach des Stahls welches auf Stahl trifft, vom Getöse der wütenden Krieger und ihrer Opfer. Hier und da Schläge mit seiner großen Falcata verteilend und über die zerquetschten Körper seiner Kameraden stolpernd, fühlte Brieg, wie sein Herz stehen blieb, als er in der Mitte des Getümmels die beiden Banner sah, das von Hibernia und das von Albion. Sie ragten nebeneinander empor und konfrontierten sich in einem Kampf, der kein Ende nehmen wollte. Er hielt seinen Atem an, um die ihn umgebende Rohheit nicht in sich zu lassen, und er sah das vom Blut seiner mutigen Kinder befleckte grün Hibernias vor seinen Augen stürzen und auf dem Boden zusammenbrechen.

Dann nichts mehr, er war geflohen. Von der Angst gepackt war er feige dem Schlachtfeld entflohen, um sich in dem kleinen Turm zu verstecken, im welchem sie sich eigentlich bei Einbruch der Nacht wieder treffen sollten. Dies war in Hibernia eine furchtbare Tat der Feigheit und wurde häufig mit dem Tode bestraft und von den überlebenden Kameraden des ehrenlosen Verräters ausgeführt. Er hatte das kleine Gebäude erreicht ohne zu wissen, dass es das Schussziel Albions war und somit zu seinem Grab wurde, das Grab eines Feiglings...

Brieg stand mühsam wieder auf. Die Tür würde demnächst nachgeben. Mit den Augen suchte er nach einem letzten Zufluchtsort und quetschte sich unter die kleine Treppe, die zum Wachposten führte. Er erschrak vor seinem eigenen Spiegelbild. Vor ihm hing ein kleiner Spiegel, in welchem er sein blutverschmiertes Gesicht ausmachen konnte. Zu seinen Füßen befand sich eine Schüssel voll moderigen Wassers und Salben- und Farbtöpfe, die rituelle Ausrüstung eines keltischen Kämpfers. Mechanisch tauchte Brieg seine blutbefleckten Hände ins übel riechende aber wenigstens kühle Wasser und reinigte sein Gesicht. Einen Moment lang konnte er die Gesichtszüge des jungen Mannes ausmachen, der er vor dieser Schlacht, vor diesem Wahnsinn gewesen war.

Mit einem Schrei des Hauptmanns gab die Tür schließlich nach. Nadri lächelte seinem Kameraden zu, der Turm war nicht verteidigt worden und der Sarazene hatte nur einen Mann hineinlaufen sehen, einen Feigling, der sich der Schlacht zu entziehen versuchte. Gerne wollte er diesem die Möglichkeit geben, seinen Vorahnen sein Handeln zu erklären. Als guter Aufklärer trat er als erster in den Turm...

Ein unmenschlicher Schrei zerriss ihm das Trommelfell, eine Bestie sprang ihn an, mit schwingender Lanze über einem wutverzerrten Gesicht, welches mit den traditionellen Kriegsfarben der Kelten bemalt war. Wie ein einziger Mann wich die Truppe einen Schritt zurück, bevor die erste Reihe von Brieg durchbrochen wurde. Seine Lanze wie eine Sense benutzend, stach, metzelte und enthauptete er den Feind, wobei er wie ein Verdammter bei zunehmendem Monde seinen Hass und seinen Schmerz, die Wut Cernunos aus seinem Hals schrie ... »

Das keltische Recht ist eindeutig. Von Barden und Druiden weitergegeben und nur von ihnen angewandt. Die überlebenden Kameraden eines Feiglings beschließen über die Durchführung einer möglichen Strafe. Wenn keiner von ihnen überlebt hat, wird der Verräter nackt und waffenlos im feindlichen Gebiet zurück gelassen. Selbst wenn alle dieses Gesetz kennen, so wurde es doch noch niemals angewandt, denn die Fälle solcher Feigheit sind seltener als blätterlose Bäume im Frühling. Für die Ehre, die der Kelte über alles andere stellt, denn die Farben, mit denen er sein Gesicht bemalt sind genauso eine Würdigung seiner Vorfahren wie auch Beweis der früheren Siege seiner Helden, weichen die wilden Kelten niemals vor ihrem Feind zurück.